Gemeinschaftliche Selbsthilfe bedeutet, die eigenen Themen und deren Lösung selbst in die Hand zu nehmen und im Rahmen der eigenen Möglichkeiten gemeinsam mit anderen Menschen aktiv zu werden. Selbsthilfegruppen sind ein legales, privates, gegebenenfalls gefördertes Instrument zur eigenständigen Ergänzung von staatlichen und nicht-staatlichen Leistungen. Im Zusammenhang mit Schule und Jungen Menschen bietet sich eine Ergänzung in folgenden Feldern an: - Lernhilfe (Bildungsbegleitung)
- Unterstützung bei Lerndefiziten
- Prävention und Minderung von depressiven Zuständen (gegebenenfalls förderfähig)
Gibt es in Ihrer Region noch keine Selbsthilfegruppe zu Ihrem Anliegen? Dann überlegen Sie sich doch einmal, ob Sie nicht selbst eine gründen möchten.
Besonders günstig ist es, wenn in Ihrer Nähe eine lokale / regionale Selbsthilfekontaktstelle existiert. Die Mitarbeiter*innen dieser Einrichtungen bieten praktische Hilfestellung bei der Gruppengründung und bei der Öffentlichkeitsarbeit an. Sie stellen Hilfsmittel für die Arbeit und Räume für die Treffen zur Verfügung oder vermitteln diese. Wenn eine solche Selbsthilfekontaktstelle in Ihrer Nähe nicht existiert, können Sie durchaus auch Mitarbeiter*innen anderer Einrichtungen ansprechen. Viele Beratungsstellen, Wohlfahrtsverbände, Gesundheitsämter, soziale Dienste der Krankenkassen und auch Ärzt*innen sind meist auch gern bereit, den Aufbau von Selbsthilfegruppen zu unterstützen und können bei der Suche nach weiteren Interessierten und nach einem Raum behilflich sein. Weitere Hinweise und Antworten auf Fragen, die häufig im Zusammenhang mit der Gründung einer Selbsthilfegruppe gestellt werden, finden Sie in unserer Rubrik Gruppenarbeit.
Unterstützung bei der Gruppenarbeit
Ansprechpartner und Fortbildungsmöglichkeiten
Wer eine Selbsthilfegruppe gründet oder leitet, erhält von verschiedenen Seiten Unterstützung:
Selbsthilfekontaktstellen: Die Selbsthilfekontaktstellen unterstützen einerseits beim Aufbau einer Selbsthilfegruppe. Sie helfen dabei, sich über das Ziel der Gruppe klar zu werden, und machen durch Öffentlichkeitsarbeit auf den Gründung aufmerksam. Darüber hinaus bieten Selbsthilfekontaktstellen Hilfe für bestehende Gruppen. Sie bieten beispielsweise Fortbildungen an oder Supervision bei Gruppenkonflikten.
Auch Selbsthilfeorganisationen unterstützen einzelne Gruppen aus ihrem Themenbereich. Wie die Unterstützung im Einzelnen aussieht, erfragt man am besten bei der jeweiligen Selbsthilfeorganisation.
Die NAKOS informiert und berät Selbsthilfegruppen zu grundsätzlichen Fragen und stellt verschiedene Informationsmaterialien rund um die Gruppenarbeit an.
Darüber hinaus bieten auch Fortbildungsakademien Unterstützung für Selbsthilfegruppen. Eine Übersicht an Fortbildungsmöglichkeiten finden Sie in unserer Rubrik Fort- und Weiterbildung.
Gruppengründung
Fragen rund um den Aufbau einer Selbsthilfegruppe
Wer sich entschlossen hat, eine Selbsthilfegruppen aufzubauen, wird sich mit vielen Fragen konfrontiert sehen.
"Mit wem will ich mich austauschen?" Der*die Gruppengründer*in sollte sich die Frage stellen, mit welchem Personenkreis sie sich treffen wollen:
Nur mit Frauen, nur mit Männern, nur mit Menschen mit so genanntem dritten Geschlecht? Oder spielt das keine Rolle?
Menschen aus einer ähnlichen Altersstufe?
Betroffene und Angehörige gemeinsam oder nur Betroffene oder nur Angehörige?
"Wie oft wollen wir uns treffen?" Manche Gruppen treffen sich wöchentlich, andere jede zweite Woche, einmal im Monat oder seltener. Auch sollte sich die Gruppe überlegen, wie lange das Treffen dauern soll, und natürlich in welchen Räumlichkeiten sie sich treffen will.
"Müssen Formalien bei der Gründung beachtet werden?" In Deutschland herrscht Versammlungsfreiheit. Sie können sich mit anderen Menschen treffen, warum, wo und wie Sie wollen – sofern Sie nicht, und das sind die einzigen Ausnahmen, unser Grundgesetz oder unsere Demokratie in Frage stellen wollen oder gefährden. Suchen Sie sich Gleichbetroffene und verabreden Sie wiederkehrende gemeinschaftliche Treffen, dann ist Ihre Selbsthilfegruppe existent.
"Welche rechtliche Einordnung hat eine Selbsthilfegruppe?" Ist die Selbsthilfegruppe ein Zusammenschluss von einzelnen Privatpersonen und nicht als Verein organisiert, so bildet sie im juristischen Sinne eine "Gesellschaft des bürgerlichen Rechts" (GbR). Das Miteinander, Haftung, Verantwortung, Pflichten sind in unserem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt, weswegen eine solche Gesellschaft auch als "BGB-Gesellschaft" bezeichnet wird. Einige Selbsthilfegruppe entscheiden sich, einen Verein zu gründen. Eine gute Nachricht zu Beginn: Die meisten rechtlichen Fragestellungen spielen für Selbsthilfegruppen zumindest bei der Gruppengründung keine Rolle. Erst wenn eine Gruppe sich als Verein gründen will, muss sie sich mit dem Vereinsrecht auseinandersetzen. Versicherungsschutz und Besteuerung kommen erst ins Spiel, wenn eine Gruppe Veranstaltungen plant oder Einnahmen hat. Gruppenleitungen und Gruppenmitglieder können sich also nach und nach mit den meisten Rechtsfragen befassen bzw. sind davon dauerhaft nicht betroffen. Nur der Datenschutz gilt für alle Selbsthilfegruppen und Selbsthilfeorganisationen und muss von Anfang an beachtet werden. Ausführlichere Informationen zu Rechtsfragen finden Sie in der Rubrik Rechtliches.
"Brauchen Selbsthilfegruppen Geld?" "Können sie Fördergelder erhalten?" Selbsthilfegruppen bestimmen ihre Arbeitsweise und Ziele selbst. Dafür brauchen viele Selbsthilfegruppen eigentlich gar kein oder kaum Geld. Andere wiederum brauchen für ihre Gruppenarbeit Zuschüsse, zum Beispiel für die Mietkosten des Gruppenraums, für Telefon-, Porto- oder Kopierkosten. Falls für die Gruppenarbeit Geld benötigt wird, kann die Gruppe auch finanzielle Zuschüsse beantragen zum Beispiel bei den öffentlichen Verwaltungen (Sozial- oder Gesundheitsamt), bei Geschäftstellen von Wohlfahrtsverbänden (Arbeiterwohlfahrt, Paritätischer Wohlfahrtsverband), Kirchengemeinden, Stiftungen und den gesetzlichen Krankenkassen und Pflegekassen. Es empfiehlt sich unbedingt nachzufragen, welche Voraussetzungen eine Gruppe erfüllen muss und an welche Bedingungen ein Förderantrag geknüpft ist.
Förderung
Selbsthilfegruppen können unterschiedlich gefördert werden. Einrichtungen vor Ort unterstützen Selbsthilfegruppen, indem sie Räume für Gruppentreffen, Kopiergeräte oder einen Internetanschluss zur Nutzung bereitstellen. Selbsthilfegruppen haben aber auch die Möglichkeit, bei den Krankenkassen oder ihrer Kommune Fördermittel für den Druck eines Flyers oder die Ausrichtung eines Selbsthilfetages zu beantragen.
Entscheidungsträger aus Politik und dem Gesundheits- und Sozialbereich, Fachkräfte und Ärzt*innen sprechen mit Kolleg*innen über die wichtige Rolle der Selbsthilfe und tragen so zu einem selbsthilfefreundlichen Klima bei. Durch die Möglichkeit zur Mitwirkung in Gremien und Arbeitskreisen erfolgt eine politische Förderung der Selbsthilfe. Und auch die Verbesserung rechtlicher Rahmenbedingungen (zum Beispiel beim Körperschafts-, Steuer-, Haftungsrecht und Unfallversicherungsschutz) befördert das gemeinschaftliche Selbsthifeengagement. Die direkte finanzielle Förderung der Selbsthilfe erfolgt durch unterschiedliche Kostenträger. Maßgeblich sind hierbei die öffentliche Hand (Bund, Länder und Kommunen), die Rehabilitationsträger (Krankenkassen, Pflegeversicherung und Rentenversicherungsträger) sowie private Geldgeber (Spender, Sponsoren, Stiftungen).
Förderung durch Krankenkassen
Die Krankenkassen unterstützen und fördern seit vielen Jahren die Aktivitäten der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe durch immaterielle, infrastrukturelle und finanzielle Hilfen, weil diese in vielfältiger und wirksamer Weise die professionellen Angebote der Gesundheitsversorgung ergänzen kann. Dabei ist das besondere Merkmal der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe ihre Betroffenenkompetenz.
Seit 1992 gibt es eine gesetzliche Grundlage für die Selbsthilfeförderung durch die gesetzlichen Krankenkassen im Paragraph 20h des Fünften Sozialgesetzbuches (§ 20h SGB V). Seit dem 1.1.2008 sind die Krankenkassen nach § 20h SGB V zur Förderung der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe verpflichtet. Eine Förderung von Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen erfolgt dann, wenn sie sich die Prävention oder Rehabilitation von Versicherten bei bestimmten Erkrankungen zum Ziel gesetzt haben.
Zwei Förderstränge
Die Förderung der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe und ihrer Strukturen durch die gesetzliche Krankenversicherung erfolgt über zwei Förderstränge: die kassenartenübergreifende Gemeinschaftsförderung ("Pauschalförderung") und die kassenindividuelle Förderung, die vorrangig als Projektförderung ausgestaltet wird.
Kassenartenübergreifende Gemeinschaftsförderung / Pauschalförderung In den Bundesländern und Regionen werden jeweils 70 Prozent der von den Krankenkassen aufzubringenden Fördermittel für die kassenartenübergreifende Gemeinschaftsförderung zur Verfügung gestellt. Hieraus können Selbsthilfegruppen, Selbsthilfeorganisationen und Selbsthilfekontaktstellen Fördermittel beantragen. Die Förderung der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe im Rahmen der kassenartenübergreifenden Gemeinschaftsförderung erfolgt als Pauschalförderung in Form eines institutionellen Zuschusses vorrangig als Festbetrag (Festbetragsfinanzierung). Diese Fördermittel werden – sofern die Fördervoraussetzungen gemäß „Leitfaden zur Selbsthilfeförderung“ erfüllt sind – zur Unterstützung der Selbsthilfearbeit und der damit verbundenen regelmäßig wiederkehrenden Aufwendungen zur Verfügung gestellt.
Krankenkassenindividuelle Förderung / Projektförderung Bis zu 30 Prozent der Mittel, die eine Krankenkasse für ihre Selbsthilfeförderung zur Verfügung zu stellen hat, kann sie auf den Ebenen Bund, Land und Region für die kassenindividuelle Förderung zeitlich begrenzter Projekte verwenden. Je nach regionaler Ausrichtung und Zuständigkeit entscheidet eine Krankenkasse eigenständig, welche Förderschwerpunkte sie setzt und auf welcher Ebene sie die Selbsthilfe unterstützt. Die krankenkassenindividuelle Förderung erfolgt als Projektförderung, in der Regel als Fehlbedarfs- beziehungsweise Anteilsfinanzierung. Vorhaben, die im Rahmen der krankenkassenindividuellen Selbsthilfeförderung gefördert werden sollen, müssen über die regelmäßig wiederkehrende Selbsthilfearbeit hinausgehen und zeitlich begrenzt sein.
Gruppenregeln
Empfehlungen für die Gruppenarbeit
Es gibt keine festen Regeln oder gar Vorschriften für die Arbeit von Selbsthilfegruppen. Jede Gruppe entwickelt im Laufe der Zeit ihren eigenen Stil. Für Gruppen, bei denen das gemeinsame Gespräch im Mittelpunkt steht, gibt es jedoch einige Empfehlungen für den Umgang miteinander:
Jede*r bringt sich frei mit seinen Problemen, Gefühlen und Ideen ein.
Jede*r soll in der Gruppe zu Wort kommen. Sinnvoll kann es sein, zu Beginn und am Ende der Gruppensitzung eine Blitzlicht-Runde durchzuführen. Jede*r ergreift dann reihum das Wort und spricht über die augenblicklichen Gefühle und Erwartungen.
Es kann immer nur eine*r sprechen. Dabei sollte jede*r den Mut zur „Ich-Form“ aufbringen. Die „Man“- oder „Wir-Form“ sollte vermieden werden. Jede*r sollte sich direkt an die anderen in der Gruppe wenden, mit ihnen und nicht über sie sprechen.
Es sollte nicht über Außenstehende (zum Beispiel Partner*in), sondern von sich, von den eigenen Gefühlen, Gedanken und Verhaltensweisen geredet werden.
Gefühle, auch „negative“ Empfindungen, die im Alltag häufig unterdrückt werden: Angst, Schwäche, Abneigung, Sorgen, Ärger, Kränkung, Scham und so weiter sollten in der Gruppe mit der größtmöglichen Offenheit geäußert werden.
Störungen haben Vorrang. Wer nicht mehr zuhören kann, beunruhigt, traurig oder wütend ist, sollte das möglichst bald aussprechen. Die Gruppe sollte den Verlauf unterbrechen, um sich diesen Gefühlen zuzuwenden.
Eigenständigkeit muss respektiert werden. Nur über Meinungen kann man diskutieren. Beim Erfahrungsaustausch gibt es kein „richtig“ oder „falsch“. Jede*r muss lernen, Erfahrungen und Gefühle als solche stehen zu lassen und nicht zu bewerten oder zu kritisieren.
Niemand sollte beschwichtigend oder besserwissend Ratschläge erteilen, wo jede*r nur für sich selbst entscheiden und das eigene Tun verantworten kann.
Keine*r sollte sich und andere bei der Lösung von Schwierigkeiten unter zeitlichen Druck setzen. Probleme sollten offen gelassen werden, denn so wie sie nicht von heute auf morgen entstehen, so können sie auch nicht in kurzer Zeit gelöst werden.
Dem Gruppengespräch muss kein festes Thema zugrunde liegen, es ist ja in aller Regel keine Diskussion. Der Gesprächsverlauf ist offen. Diskussionen über bestimmte Themen sollten extra vereinbart werden.
Über die Gespräche in der Selbsthilfegruppe wird gegenüber Außenstehenden Stillschweigen bewahrt.
Weiterführende Links:
Leitfaden: Starthilfe zum Aufbau von Selbsthilfegruppen (kostenfrei) https://www.nakos.de/data/Fachpublikationen/2021/NAKOS-Starthilfe.pdf
Leitfaden: Gemeinsam aktiv - Arbeitshilfe für Selbsthilfegruppen (kostenpflichtig)
https://www.nakos.de/publikationen/key@4486