- Eine Krisenlösung mit Zukunftsausblick -
von Günter Lau
Nach derzeitigem Kenntnis- und Personalstand erzwingt die Corona-Krise auch in Hinsicht auf die schulische Bildung, bisher kaum denkbare, herausfordernde und mutige Wege verantwortungsbewusst in den Blick zu nehmen. Dazu nötigt vor allem das Bewusstsein, dass die umfassende Verfügbarkeit eines risikoarmen Impfstoffes noch eine unbestimmt längere Zeit braucht und nicht abgedeckte Mutationen und auch neue zukünftige Pandemien durch andere Erreger nicht ausgeschlossen werden können.
Zudem sind die erkennbaren Präsenzbedürfnisse der Kinder und Eltern derzeit nicht ausreichend erfüllbar aufgrund der erforderlichen Reduzierung auf kleinere Klassen und des real existierenden, reduzierten Personalstands, selbst bei enormem organisatorischem Aufwand und erweiterter digitaler Unterstützung. Soziale und psychologische Friktionen sind inzwischen Realität und Lernziele potenziell gefährdet (Stichwort: Corona-Prüfungsbonus).
Was ist zu tun, um derartigen Herausforderungen jetzt unmittelbar und auch zukünftig vorausschauend gerecht zu werden?
Eine Entlastung bietet eine erweiterte Auslegung der Landessschulgesetze, die die Erfüllung der Präsenzpflicht in Homeschooling-Clustern und Außerschulischen Lernorten (ASL) dort erlaubt, wo es augenscheinlich möglich und gewünscht ist, sowie eine stärkere Förderung von Ersatz- und Ergänzungsschulen. Dies ist nicht nur eine Bestrebung in immer größeren Bevölkerungsteilen, sondern auch ein Gebot der Stunde und darf daher kein Tabu mehr darstellen.
Systemische Ergänzung durch Lernassistent/innen
Wie gesagt, dies kann zwar eine möglicherweise weitgehende Entlastung bieten, aber keine generelle Lösung darstellen. Im Anhang wird daher als eine umfassende Lösung die ergänzende Einführung von Lernassistent/innen (LA) vorgestellt, die vermutlich einen der am schnellsten umsetzbaren Lösungsansätze darstellt. Zusammengefasst bietet er die Weiterentwicklung bisher ohnehin in Planung und Umsetzung befindlicher Ansätze in eine konsequente, notfallmäßig oder dauerhaft einsetzbare und vor allem allseits zufriedenstellende Form.
In Kurzform sind damit folgende Kernpunkte gemeint:
Lernassistent/innen
übernehmen Kleingruppen von maximal 8 Kindern, auch altersgemischt
leiten zu selbständigem und eigenverantwortlichem Lernen an
fördern durch ihre Präsenz und Zuwendung den Lernwillen und die Lernfreude
sorgen für das Erreichen der Lernziele mit Backup durch das Stamm-Lehrpersonal
Dafür ist eigenes schulisches Wissen für LA zwar hilfreich, aber nicht notwendig. Die Kinder erarbeiten sich unter Anleitung durch die LA das gewünschte/erforderliche Wissen in der Gruppe selbst, indem sie mit Unterstützung des LA auf alle verfügbaren Quellen zurückgreifen.
Die Einführung der LA ins bestehende Schulsystem und insbesondere in Homeschooling-Clustern (HSC) und ASL während der Krise bedient nachfolgende wesentliche Anforderungskriterien optimal:
Bildung von risikoarmen, isolierten Lerngruppen
Auflösung des Personalengpasses infolge rascher Umsetzung durch Multiplikatoren
ausreichende Präsenz und erforderliche Betreuung
kurzfristig erzielbare, vollständige Öffnung der Schulen und Vorschulen
vorplanbares und rasch installierbares Notkonzept für diese und eine zukünftige Krise
Daneben bietet es, wie in der Anlage dargestellt, noch eine ganze Reihe von Vorteilen, so dass es sich auch als dauerhaftes Konzept für die Zukunft eignet.
Initialisierendes praxisnahes Pilotprojekt
Alternative 1:
Zur Initialisierung wird ein praxisnahes, landesbezogenes Pilotprojekt unter Leitung der "Freien Lehrer Initiative" (FLI) mit folgendem zeitsparendem Vorgehen und nachfolgenden Rahmenvoraussetzungen vorgeschlagen:
Rekursive Life-Erfahrung des Systems der LA mit den nachfolgend genannten Teilnehmern mit einer Reihe von vorbereiteten (Lern-)Fragestellungen im experimentell-praktischen Learning by Doing
Kurzfristige Auswahl und Gestellung von je zwei Lehramtsstudenten je Bezirk durch die Länder (Eignungsvoraussetzungen: Empathie, stabiles soziales Wertesystem, gefestigte Persönlichkeit)
Kurzfristige Auswahl und Gestellung von je einem Lehrer je Bezirk mit gleichartiger Qualifikation als beratende Beobachter durch die Länder
Zwei weitere Beobachter seitens des jeweiligen Ministeriums möglich und erwünscht
Bereitstellung von einem Konferenzraum für 20-30 Personen (je nach Land) sowie 5-6 Arbeitsräume für je 6 Personen
Lernziele: Erprobung des Systems, Erarbeitung der praktischen Funktionsfähigkeit im Regelschulsystem bzw. in HSC und ASL, Klarstellung der multiplikativen Umsetzbarkeit und Organisation im und parallel zum Regelschulbetrieb (Empfohlener Durchführungskanon)
Alternative 2:
Weiterbildung ausgewählter/freiwilliger Lehrer und und gezielte Ausbildung von Lehramtsstudenten sowie anderer Freiwilliger durch die FLI:
Weiterbildung von Lehrern im Beamten-/Angestelltenverhältnis zum Lernexperten; Zielsetzung: Begleitung von 3-6 Lerngruppen (Lerngruppen-Cluster) unter Anleitung von LA und Betreuern
Aufbaukursus für LA und Betreuer (Lehramtsstudenten und andere Freiwillige); wird im weiteren Verlauf durch die Lernexperten durchgeführt
Bildung von individuellen Lerngruppen (Homeschooling-Cluster) in Eigeninitiative von Eltern, Schülern und Lernexperten
zeitlich begrenzte Supervision durch die FLI
Ausarbeitung von Curriculae durch die FLI und die Lernexperten der Lerngruppen-Cluster
Empfohlener Durchführungskanon
Durchführung des Pilotprojekts (beide Alternativen)
Während dieses gemeinsamen Erfahrungsprozesses soll folgenden wesentlichen Fragen nachgegangen werden:
Wie bleibt die Lernfreude von Schüler/innen mit LA dauerhaft erhalten und wie entfaltet sich dabei selbständiges, eigenverantwortliches Lernen?
Welche Haltungen müssen Lernexperten/LA/Betreuer einnehmen, um die Lernenden optimal zu unterstützen?
Welche Eigenschaften und Fähigkeiten und welches Wertesystem müssen Lernexperten/LA/Betreuer mitbringen oder erlernen?
Welches theoretische und praktische Wissen brauchen Lernexperten/LA/Betreuer?
Welche organisatorischen und materiellen Voraussetzungen braucht das System?
Wie können diese Voraussetzungen praktisch umgesetzt werden und welche Schwachstellen sind dabei zu überbrücken?
Klärung weiterer Fragestellungen, die sich im Lernprozess ergeben bzw. von Ihrem Ministerium eingebracht werden, damit das System so vollständig in seinen Facetten ausgearbeitet ist, dass es in der Gesamteinheit einer Schule funktionieren kann und im Anschluss unmittelbar mit der Umsetzung begonnen werden kann.
Dabei können wir das System dadurch erproben und praxistauglich machen, indem wir all unser gemeinsames Wissen, also Ihre umfassende praktische Regelschulerfahrung und Ihre bisherigen Überlegungen, das praktische und experimentelle Wissen von mir und meinen Kollegen und das theoretische neue Wissen und die Frische von jungen begeisterten Erwachsenen, in ein gemeinsames Engagement packen.
Fortsetzung in der Praxis
Als Hauptvorteil dieser Vorgehensweise ergibt sich ein landes- bzw. bundesweiter Nukleus von Lernexperten/LA/Betreuer, der umgehend sowohl Schüler/innen begleiten als auch das System weitergeben kann an andere potenzielle LA (u.a. Lehramtsstudenten und freiwillige andere Interessierte) sowie weitere schulische Einrichtungen. Dies kann dann durch Ausrichtung von Kompaktseminaren mit anschließend einwöchiger Supervision eines Learning by Doing erfolgen.
Werden alle zum Lernexperten Ausgebildeten zuerst ausschließlich als Multiplikatoren eingesetzt, kann theoretisch binnen minimal 8 Wochen ein Nukleus in jeder Schule Deutschlands geschaffen werden. Hierbei kann ein bereits existierendes Netzwerk von vorgebildeten Menschen zur Seite stehen, die wir zur Zeit in eine im Aufbau befindliche Einrichtung namens FLI konzentrieren. Diese soll zukünftig in Deutschland, Österreich und der Schweiz tätig werden, wo wir dieses ergänzende System initiieren und fördern wollen.
Der nächste Schritt ist allerdings die weitere vertiefende Ausarbeitung des Konzepts und eine Überprüfung auf seine Praxistauglichkeit durch das Pilotprojekt.
© Jonathan.Academy, 2020
Anlage: s. https://www.jonathan.academy/post/2020/05/20/corona-eine-kurz-und-langfristige-chance-f%C3%BCr-das-schulsystem
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